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Pfingstpredigt 2004, im Dominikanerkloster St. Paulus, Worms

P. Josef kleine Bornhorst

Seit einigen Jahren hören wir im Sprachschatz der Kirche ein uns eher ungewohntes Wort. Es heißt “Evangelisation“ oder es wird von „Evangelisierung“ gesprochen. Gerade unser jetziger Papst spricht in seinen Ansprachen immer wieder von der Notwendigkeit der Evangelisierung oder Neu-Evangelisierung gerade der Kirche Europas. Aber schon Papst Paul VI widmete sich im seinem apostolischen Schreiben „Evangelii Nuntiandi“ aus dem Jahre 1975 diesem für ihn so wichtigen Thema. Auch wenn sich das Wort „Evangelisation“ bei uns nicht so recht eingebürgert hat, kann und will es doch etwas aussagen von der Hauptaufgabe der Kirche in unserer Zeit: die Kirche ist gerufen zur „Evangelisierung.“

Evangelisierung heißt zunächst ganz schlicht und einfach, Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi. Es ist die Verkündigung der frohen Botschaft: des Lebens und Sterbens Jesu, seiner Himmelfahrt und Geistsendung, es ist die Verkündigung dieser Botschaft insbesondere an die Menschen, die den christlichen Glauben noch nicht oder nicht mehr kennen. Wir spüren bereits, Evangelisierung, darin steckt der missionarische Auftrag und der Sendungsauftrag der Kirche: „Ihr sollt meine Zeugen sein.“ Hierbei gilt auch das uns bekannte Wort des Propheten Jesaja für unser Leben umzusetzen: “Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt, er hat mich gesandt, damit ich den Armen die frohe Botschaft bringe, die Gefangenen die Befreiung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Jesaja 61,1f.)
Dieser Sendungsauftrag geht uns alle an. Durch Taufe und Firmung sind wir Berufene und Gesandte, auch wir sollen seine Zeugen sein, sollen Zeugen der frohen Botschaft und Zeugen der Hoffnung sein, die in uns ist, die uns erfüllt.

Jesus hat der ganzen Kirche diesen Auftrag gegeben, sein Evangelium überall und allezeit zu leben und zu bezeugen.
Angefangen hat alles damals am Pfingsttag. Erst nachdem der heilige Geist auf sie herabgekommen war, brachen die Apostel auf um das große Evangelisierungswerk zu beginnen, die verschlossenen Türen wurden weit geöffnet, die Angst war auf einmal verfolgen, all ihre Sprachlosigkeit dahin. Mutig begannen Petrus und die anderen durch Wort und Tat das Evangelium zu verkündigen. Ja, der Hl. Geist brannte in ihnen wie ein Feuer und ließ sie nicht los, von dem zu sprechen was sie erfahren und erlebt hatten mit diesem Jesus, der lebt, der auch in ihnen lebt. Der Heilige Geist ist in ihnen gleichsam so etwas wie die Seele. Und der Geist ist es, der den Jüngern die rechten Worte eingibt, das sie begeistert sprechen können, der ihnen Mut und Kraft gibt Zeugnis zu geben von diesen Jesus.

Von dieser Begeisterung liebe Schwestern und Brüder, spüren wir heute bei uns sehr wenig. Die Kirche im unserem Land scheint saft- und kraftlos, hat wenig Ausstrahlung, wenig Feuer, wenig Lebendigkeit. Der Glaube ist sprachlos, ist tabu, ist Privatsache, das Glaubensgespräch, das Glaubenszeugnis weitgehend verstummt.

Gleichzeitig erlebe ich aber auch immer wieder ein Interesse gerade am gelebten Glaubenszeugnis. Bei uns im Kloster finden im Laufe des Jahres immer wieder Klosterführungen statt. Die Geschichte des alten Klosters St. Paulus interessiert und ein Blick ins Kloster hinein ist von Interesse. Und es ergeben sich bei diesen Klosterführungen sehr schnell gute Gespräche, nicht nur über die Steine und die besondere Architektur, sondern auch zu Glaubensfragen, Fragen zu uns und unserer Lebensform. „Warum sind sie ins Kloster gegangen, was gibt ihnen der Glaube, warum machen sie das?“ Fragen die eine persönliche Antwort verlangen. Hier bin ich als Pater Josef angefragt nach meinem Glaubens- und Lebenszeugnis, was mich Glauben lässt, was meine Hoffnung ist.

Liebe Schwestern und Brüder, wir müssen wieder lernen zu sprechen, auch mutiger zu sprechen über uns und unserem Glauben, von unseren Glaubens-erfahrungen, von unseren Fragen und Suchen, von unserer Gottesferne und unserer Gottesnähe. Wo dies geschieht, geschieht Evangelisierung, denn diese ist keine theoretische Methode, sondern ganz praktisch gelebtes Christentum
in Wort und Tat. Und dieses ist keine Sache nur der Amtsträger der Kirche, sondern unsere gemeinsame Sache.

Evangelisation heißt den Glauben zur Sprache zu bringen, ihn wieder zur Sprache zu bringen, den Glauben zu leben und zu bezeugen. Das kann auf vielfältige Weise geschehen. Im Bonifatiusjahr geschieht dieses bei vielen Veranstaltungen oder auf dem Katholikentag in Ulm oder beim Weltjugendtag 2005 in unserem Land. Der Glauben will gelebt, bezeugt und gefeiert werden. Aber nicht nur bei den Großereignissen und Festtagen, sondern auch im Kleinen und im Alltag sind wir aufgerufen jederzeit Zeugnis zu geben von der Hoffnung die uns erfüllt. So geschieht Evangelisation im Großen und Kleinen.
Liebe Schwestern und Brüder! Ich habe manchmal den Eindruck, nicht nur durch unsere Gesellschaft, sondern auch durch unsere Kirche und auch durch uns selber, müsste es öfters einen heilsamen Ruck gehen, ein Ruck der uns wachrüttelt, der uns antreibt, der uns ermutigt, mit neuem Glaubensfeuer auf-zustehen und das Evangelium in Wort und Tat zu leben und zu verkündigen. Pfingsten und der hl. Geist will und kann uns bewegen und antreiben und den notwendigen Ruck dazu geben.


P. Josef schreiben: paterjosefop@hotmail.com