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Fastenpredigt 2004, im Dominikanerkloster St. Paulus, Worms
In der Reihe: „Kehr um! – wieso, weshalb, warum? Sünde und Umkehr im Glauben

23. März 2004; P. Josef kleine Bornhorst

„Steh auf, deine Sünden sind dir vergeben!“

Von der Last der Beichte und ihrer befreienden Kraft

Liebe Schwestern und Brüder,

Menschen erzählen ganz offen und frei ihre Lebensgeschichte, geben ihre Intimsphäre preis und legen öffentliche Bekenntnisse ab:

„Ja- ich habe gelogen! „Ja ich habe Dich betrogen!“ „Ja ich hatte Sex mit einer anderen!“ So hören und sehen wir es in den Talkshows bei Vera am Mittag, bei Britt oder Oliver Geissen. Pater Max erzählte bei seiner Fastenpredigt bereits davon. Aber wir hören nicht nur von Liebe und Sex, sondern wir hören auch vor laufender Kamera die Bitte: „Laßt uns von neuem beginnen!“ oder den Wunsch zum Partner, zur Partnerin gewandt „Bitte verzeihe mir!“

Wir können erleben, wie Menschen auf ihre Weise hier etwas loswerden. Hier geschieht in einer ganz bestimmten Weise Konfliktbewältigung und manchmal sogar Versöhnung. Könnte dies auch so etwas sein wie die moderne Form der Beichte, denn es wird hier scheinbar öffentlich gebeichtet was das Zeug hält? Das Sendestudio von RTL, SAT 1, Pro sieben und der anderen Sender, ein großes Beichtzimmer?

Eine neue Form der Lebensbeichte?

Bald doch die Beichte und das Beichtgespräch vor laufender Kamera?

Und dann noch die Lossprechung durch einen echten Priester? Das wärs doch, dass könnte Einschaltquote bringen.

Auf der anderen Seite erleben wir das die Zahl der Beichtenden in unseren Kirchen drastisch zurückgehen. In manchen Gemeinden bleibt der Beichtstuhl leer, wie ein verstaubtes Möbelstück, das lediglich in der Karwoche oder vor dem Weihnachtsfest noch gebraucht wird.

Das Beichtsakrament in der Krise ?!

Ich selber bin noch erzogen worden, alle 4 Wochen zur Beichte zu gehen. (bin Jahrgang 1953 )

Ich selber habe es noch erlebt, meine Sorge, vom Pfarrer hinter den Vorhang nicht erkannt zu werden und war erleichtert als ich dann den Beichtstuhl möglichst schnell verlassen konnte.

Ich habe es noch selber erlebt, immer wieder die Frage was soll ich beichten? und habe ich nichts vergessen? Und die Frage: Gehe ich lieber zum Pfarrer oder zum Kaplan beichten? Die Antwort war eigentlich klar, lieber beim Kaplan, aber die Schlange vor seinem Beichtstuhl doch erheblich länger.

Ja, ich erinnere mich noch gut.

Und viele von ihnen erinnern sich noch gut. Die Beichte, ja es sollte und musste sein. Meine Mutter ging und sorgte dafür das wir Kinder gingen und das auch unser Vater ging, oder doch eher hingeschickt? Ich hatte nicht den Eindruck, dass er es gerne tat. Ja, es war eine lästige Pflichtübung. Ja und es gab wenig oder keine ermutigenden und tröstende Worte durch den Priester, eher fromme Appelle. Zu beichten war eine Last, war nicht eine Befreiung. So habe ich es erlebt.

Und als mit den 68-er viele alte Zöpfe abgeschnitten wurden, wurde auch hier ein Schnitt gemacht. Viele gingen nicht mehr oder nur noch selten zur Beichte. Das gilt auch für mich.

Und heute? Viele gehen schon jahrelang nicht mehr zur Beichte, vielleicht aber auch mit einem schlechten Gewissen und keinem sanften Ruhekissen. Soll ist, sollte ich nicht mal wieder? Aber wie denn, wo denn, was denn, wieso, weshalb, warum? Fragen die auch zur Last werden können.

Wohl kaum ein Sakrament ist in den letzten Jahren von den Leuten mehr gemieden worden als die Beichte. Man sieht keine langen Schlangen mehr vor den Beichtstühlen, vielleicht noch in den Klöstern vor den Festtagen oder an den Wallfahrtsorten. Gleichzeitig ist aber zu beobachten, Menschen suchen verstärkt nach Aussprache, nach Begleitung, nach Beratung, nach Orte der Versöhnung. Manche fragen nach Beichtgesprächen oder geistlicher Begleitung. Menschen erleben sich nicht nur in ihrer Vollkommenheit, sondern erleben sich auch in Schwäche und Schuld. Jeder von uns weiß auch um seine dunklen Flecken. All dieses kann zu einer schweren Last werden, die drückt und erdrückt. Und scheinbar ist kein Ort da dieses loszuwerden. Nicht nur die Therapeuten sprechen von der Notwendigkeit der Aufarbeitung, von Versöhnung, von Befreiung damit in uns Aussöhnung und Heilung geschieht.

Die Kirche versteht sich in ihrer Geschichte als Anwalt der Menschen, wo Menschen erfahren, auch nach Sünde und Schuld, auch nach Unheil und Versagen, es gibt eine neue Chance, es gibt die Versöhnung mit Gott.

Wenn wir in die Hl. Schrift schauen stellen wir fest: Das Volk Israel verfiel immer wieder in Sünde und Schuld. Menschen die einen freien Willen haben können das Gute zu tun aber sie können auch das Böse tun.

Gott aber bietet den Menschen auch in der schwersten Krise und nach schwerster Sünde und Schuld seine Hand zur Versöhnung.

Und die Beichte ist solch ein Ort, wo Gott uns Menschen diese Hand zur Versöhnung hinhält.

Warum schlagen aber so viele diese Hand Gottes aus?

Bevor wir auf diese Frage eine Antwort suchen lassen sie mich liebe Schwestern und Brüder noch zurückblicken auf die Entwicklung des Beichtsakramentes.

Beichte als Bekenntnis von Sünde und Schuld ist keine Erfindung des Christentums. In fast allen Religionen gibt es ähnliche Formen und Orte der Reinigung und Versöhnung.

Die Bibel spricht nicht von Beichte, sondern von Umkehr. Der Mensch der sich von Gott abgewandt hat soll umkehren. „Kehrt um!“ ist der bekannte Ruf der Propheten. Auch Johannes der Täufer ruft die Menschen auf umzukehren, wenn sie dem drohenden Gericht Gottes entrinnen wollen. Und Jesus verkündet die Umkehr. Doch er predigt nicht das Gericht, sondern die Herrschaft Gottes die Nahe ist. Und so lesen wir es am Beginn des Markusevangeliums: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium.“ (Mk 1,25)

Für die ersten Christen, für die Urgemeinde, war es gleichsam wie ein Schock, dass auch die Sünde in ihren Reihen möglich war. Konnten die Christen, die den Herrn noch gesehen hatten, sich gegen Gott und gegen die Gemeinschaft überhaupt verfehlen? Und doch war auch bei den ersten Christen die Sünde lebendig, sie wurden schwach. Die Gemeinschaft musste reagieren und tat dieses mit harten Strafmaßnahmen und auch mit dem Ausschluss, der Exkommunikation. Durch das Bußsakrament, dass Jesus gestiftet hatte waren Versöhnung und Vergebung möglich, denn der Herr hatte den Jüngern dieses Sakrament aufgetragen:„Wem ihr die Sünden erlasst den sind sie erlassen.“

Doch das Denken der ersten Christen war: Wer sich aber gegen Gott verfehlt hat, der muss dafür büßen, der bekommt auch seine gerechte Strafe, die er oder sei abbüßen, abzahlen muß. Der Akzent verschiebt sich schnell auf die Buße und Bußleistung. In vielen Köpfen gilt bis heute dieses Leistungsprinzip, das ausschlaggebender ist als die Botschaft von der Versöhnung. Wir meinen immer noch, wir müssen die Schuld, die Sünden, abzahlen, müssen Gott gnädig stimmen. Und Buße sei daher etwas ähnliches wie im Gefängnis sitzen und eine Strafe abbüßen. bzw. absitzen, bis sie erlassen ist.

In den ersten Jahrhunderten der Kirche stand die Buße und der Büßer im Rampenlicht, geächtet von der Gemeinde. Sie standen während der Ableistung ihrer, von der Kirche auferlegten Strafe, gleichsam am Pranger. Nach einer schmerzlichen Bewährungszeit konnten sie wieder durch die Handauflegung des Bischofs in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen und versöhnt werden.

Aber nur einmal im Leben konnte dieses Bußsakrament empfangen werden. Das Prinzip der Einmaligkeit und der Öffentlichkeit war der Hauptgrund, warum dieses Sakrament aus dem Leben vieler Christen verschwand bzw. erst auf dem Sterbebett begehrt wurde.

Die große Zäsur in der Bußpraxis kam im Westen durch die iro-schottischen Mönche Ende des 6. Jh. Die Sünder hatten nun die Möglichkeit öfters das Sakrament zu empfangen. Das persönliche und geheime Aussprechen der Sünde, wir nennen es jetzt beichten, geschieht im Beichtuhl vor einem Priester, der aber zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet ist. Wir nennen es Beichtgeheimnis, ein ganz hoher Wert bis heute. Aber auch jetzt wo das beichten öfters möglich ist, geht es mit der Zeit immer mehr um die Bußleistung.

Jede Sünde hatte seine entsprechende Buße. Alles ist in Bußbüchern festgelegt und festgehalten. Gott wie ein Buchhalter-Gott der unsere Sünden sieht, wir als Schuldner, ganz klein, angewiesen auf seine Vergebung.

Und der Mensch in Sorge. der fragt: komme ich in den Himmel? Der Mensch in Angst als Sünder zu sterben, der Mensch in Angst vor Tod, Hölle, Fegefeuer. Wie kann ich mich befreien? Wie kann ich meine Sünde und Buße abbezahlen? Dieses bot sich dann auch in einer ganz besonderen Form der Buße an, dem Ablass. Ursprünglich eine besondere Fürbitte der Kirche um Erlass einer zeitlichen Sündenstrafe, verkam sie zu einem Geldgeschäft. Martin Luther sah das Seelenheil der Sünder in Gefahr und versuchte, die Verantwortlichen zu Maßnahmen gegen diesen Missbrauch zu bewegen. Bei allem leidvollen was die Reformation auch mit sich brachte müssen wir sagen, es gelang ihn der Buße ihrem geistlichen Ernst zurückzugeben. War Luther auch gegen jedlichen kirchlichen Zwang so achtet er die Beichte als solches und so schreibt er: „Deshalb können wir die Beichte nicht verachten. Denn es ist Gottes Wort, das uns tröstet und im Glauben stärkt.!“ Luther spricht er sich für die Beibehaltung der Beichte aus. Nach ihm ist der Mensch zeitlebens auf der Suche nach Gott, nach einem Gott, der ihn gnädig ist.

Machen wir einen Sprung vom Mittelalter in die Neuzeit. Die Beichte, die sog. Ohrenbeichte ist über die Jahrhunderte geblieben. Wir dürfen durchaus sagen es hat sich nicht viel geändert: es wurde sehr schematisch gebeichtet, regelmäßig, immer das gleiche. Die Beichte war auch für die Kirche ein gutes Mittel der Erziehung, der kirchlichen Normen und Werte, gerade auch im sechsten Gebot, wo es um den ganzen Bereich der Sexualität ging. Angst vor einem strafenden Gott trieb Menschen auch in die Beichtstühle, oder die Angst ja nicht unwürdig die hl. Kommunion zu empfangen. Eher der strafende Gott als der liebende Gott beherrschte das Leben der Christen.

Eine theologische Neuorientierung geschah in Folge II. Vatikanischen Konzils. Es wird herausgestellt, dass es vielfältige Formen der Sündenvergebung gibt, dass es vor allem um die Versöhnung zwischen Gott und den Menschen geht. Wir sprechen jetzt weniger von Beichte, sondern vom Sakrament der Versöhnung. Und das Bild vom liebenden Gott, vom barmherzigen Vater wird in den Mittelpunkt gestellt, der barmherzige Vater, der uns nach unserer Umkehr erneut in seine offenen, versöhnungsbereiten und liebenden Arme aufnimmt. Ein Gott der mit uns das Fest der Versöhnung feiert. Von diesem Gott hörten wir am letzten Sonntag, im Evangelium.

Der Wert des Bußsakraments, auch die sog. Einzelbeichte wird beibehalten, wo der Einzelne den Priester seine Sünden bekennt. In regelmäßigen, nicht nähere definierten Zeitabständen, wird dem Gläubigen nahegelegt dieses Sakrament zu empfangen. Seine schwere Sünden soll er wenigsten einmal im Jahr beichten.

Die Elemente der Beichte sind weiterhin: Gewissenserforschung, Reue, Vorsatz, das Sündenbekenntnis, der Zuspruch des Priesters und die Lossprechung.

So habe ich es gelernt und so kennen sie es.

Die Gewissenerforschung steht immer am Beginn. Über das Gewissen und die Gewissensbildung hat Pater Karl in seiner Predigt ausführlich zu uns gesprochen. Diese Gewissenerforschung kann schon zu Hause geschehen. Sie ist eine Art Bestandsaufnahme und Reflexion. Hier kann uns der Beichtspiegel aus dem Gotteslob helfen, auch wenn dieser doch sehr schematisch ist. Es geht in der Beichtvorbereitung und der Gewissenserforschung vor allem um drei Fragekomplexe: wie steht es um meine Beziehung zu Gott, wie ist mein Verhältnis zu mir selbst und wie ist mein Verhältnis zu meinen Nächsten? Diese drei Bereiche sind vor allem der Inhalt der späteren Beichte.

Wir haben gelernt zur Beichte gehört Reue und Vorsatz. Zur Reue gehört, dass man erkennt und zugibt, „Ja ich habe gesündigt. Es ist etwas nicht in Ordnung.“ Ich muss dieses auch mit Gott bereinigen.

Ein Beispiel: Eines Tages bekam ich am frühen Vormittag einen Anruf von einem jungen Mann: „Ist es heute Vormittag möglich bei Ihnen zu beichten.... sie müssen wissen meine Mutter wird heute Mittag beerdigt.“ Er kam. Und diese Beichte hat bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen, nicht vom Inhalt her, hier gilt das Beichtgeheimnis, sondern das es ihm wichtig war „wenn wir Mutter gleich beerdigen soll alles in Ordnung sein, auch wo ich ihr etwas schuldig geblieben bin, es soll doch alles in Ordnung sein und es soll Frieden sein, zwischen ihr und mir, und Frieden mit Gott.!“

Hier ist der entscheidende Schritt getan. Und ich hatte den Eindruck, die Beichte hat auch ihn gut getan.

Die Reue bezieht sich auf das Vergangene, im ggs. dazu ist der Vorsatz in Zukunft gerichtet. Wir möchten künftig das Gute tun und das Böse meiden. Unsere Lebensstrasse ist mit manchen guten Vorsätzen gepflastert. Vorsätze machen wir gerne. Dass kennen sie, das kenne ich. Wer von uns hat nicht am Beginn des Jahres gute Vorsätze gefasst oder zu Beginn der Fastenzeit, vielleicht weniger zu rauchen oder auf Alkohol zu verzichten oder weniger Fernsehen oder etwas mehr an Bewegung und Sport oder mehr Zeit für die Familie. Aber wir kennen auch das Sprichwort „der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Aber ich ermutige sie gerne sich nicht entmutigen zu lassen, nach dem Motto „Es nützt ja doch nichts, ich fall immer wieder in die gleichen Trott, in die gleichen Fehler zurück.!“ Wir brauchen oft einen langen Atem und viel Geduld auch mit uns selbst.

Schließlich zum Sündenbekenntnis in der Beichte: Hier haben wir gelernt, genau alle Sünden aufzuzählen, kurz, knapp, präzise, und ja nichts vergessen.. Und ich weiß, viele machen es auch heute noch so, weil sie es einmal so als Kinder gelernt haben. Aber ich möchte Sie an dieser Stelle entlasten, haben sie keine Angst etwas zu vergessen. Und versuchten sie das wichtige und entscheidende zur Sprache zu bringen. Sagen sie es mit ihren Worten. In meiner Heimat, in Oldenburg sprechen noch viele plattdeutsch. Gerade den älteren Menschen tut es gut, wenn sie bei unseren Pastor plattdeutsch beichten können. Ich möchte ihnen gerne Mut machen, neu lernen zu beichten. Wir sind im Beichtstuhl nicht mehr die kleinen Kinder, sondern Erwachsene Menschen die dort alles ansprechen und aussprechen dürfen, wie es um uns steht: in der Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zu ihnen selber. Allein schon das Aussprechen kann hierbei ein Akt der Befreiung sein. So hat es der junge Mann erlebt, von dem ich gerade sprach. Er wurde etwas los. Er konnte sich entlasten. Ich komme zu Gott wie der sog. Verlorene Sohn und sagt:„Vater ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert dein Sohn zu sein.!“ Und der barmherzige Vater? Seine Reaktion ist beeindruckend: Er läuft seinen Sohn entgegen, nimmt ihn wieder auf und feiert das Fest der Versöhnung.( Lk 15,11f) Ein Bild das mich immer wieder von neuem berührt.

Und jeder der schon mal ein Versöhnung erfahren hat oder ein Gespräch zur Versöhnung geführt hat, weiß wie schwer das ist, solch einen ersten Schritt zu tun, dem Liebsten oder der Liebsten meine Schuld einzugestehen, „Ja ich habe dich belogen“ oder „Ja, ich habe dich betrogen!“ Und es kann mehr als befreiend sein, Vergebung und Versöhnung zu erfahren und das Wort: „Ich verzeihe Dir! Ich vergebe Dir!“

Und im Beichtstuhl geht es genau darum, Vergebung zu erfahren, die über die Vergebung zwischen uns Menschen hinaus, es geht auch um die Versöhnung und Vergebung mit Gott. Der Priester nimmt diese Versöhnung an Gottes statt entgegen.

Die Beichte ist für mich nicht der Ort des Gerichts, hier werde ich nicht gerichtet, sondern aufgerichtet. Es ist Ort wo Seelsorge geschieht, wo Menschen Befreiung erfahren, wo Stärkung und Trost geschenkt wird, wo wir etwas von Gottes Liebe und Versöhnung hautnah erfahren. Vielleicht haben wir Priester Mitschuld an der Krise dieses Sakramentes, weil Menschen durch uns Unterlassen zu wenig von all dem erfahren haben, zu wenig an Trost und Stärkung, zu wenig an Lebenshilfe. Vielleicht glauben wir selber zu wenig an die Kraft dieses Sakramentes.

Ich weiß, es ist nicht immer leicht, manchmal kann ich einfach nur zuhören. Oft bin ich auch ratlos, so wenn Eltern oder Großeltern sich schuldig fühlen, weil ihre Kinder oder Enkelkinder nicht mehr in die Kirche gehen und sich deshalb selber schuldig fühlen und fragen „Haben wir etwas falsch gemacht?“ Auch im Beichtstuhl wird manche Sorge und Leid ausgesprochen und Tränen geweint die anderswo keinen Platz mehr finden. Hier ist Raum und Platz für alles, hier ist ein Raum für die Aussöhnung mit Gott, mit den anderen und mit uns selbst.

Und was ist mit der Buße? so könnten sie fragen

Eine Wiedergutmachung gegenüber Gott oder den Menschen ist oft nicht möglich. Selbst wo wir den anderen Unrecht zugefügt haben, können wir es häufig nicht wiedergutmachen. Lüge, Streit, Ehebruch ist geschehen. Aber es gibt zum Glück, die Vergebung und einen Neuanfang. Und die Buße kann dabei vielleicht mit dem Vorsatz verbunden sein, einander wieder mehr Liebe und Zeit zu schenken. Die Buße ist nicht eine Ableistung, ist nicht ein abbezahlen und Geldgeschäft, sondern etwas was ich Gott schenke. Das kann durch vieles geschehen. Das kann geschehen: durch Gebet, Gottesdienst, geistliche Lesung, das kann geschehen durch Werke der Nächstenliebe, aber auch durch einen spürbaren Verzicht. Der Priester kann mir bei der Lossprechung eine Buße auferlegen, aber auch ich selber kann mir eine Buße auferlegen.

In der abschließenden Absolution spricht der Priester die Lossprechungsformel: „Gott der barmherzige Vater hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenkte er dir Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von all deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen“

Dieser Ritus der Absolution ist ganz wichtig, dieses Wort der Vergebung wirklich zu hören und damit zu glauben. Ja, es ist mir jetzt mit diesen Worten Befreiung und Versöhnung durch Gott zugesprochen. Es ist alles wieder in Ordnung, ich bin ganz rein. All meine Sünden sind vor Gott vergeben. Durch dieses befreiende Wort uns Menschen wirklich Heilung und Befreiung zugesprochen. Dieses Wort kann kein Therapeut sprechen. Dieses Wort „Steh auf deine Sünden sind Dir vergeben!“ kann nur Gott uns zusagen. Durch dieses Wort schenkt Gott dem Gelähmten wieder neues Leben. Die Schuld, die Last, all das was ihn niedergedrückt hat, ist dahin. Der Gelähmte der gleichsam am Boden lag ist von Jesus wieder aufgerichtet, Es ist wie eine Art von Auferstehungserfahrung.

Das Bußsakrament, die Beichte ist in eine Krise geraten, so die Feststellung am Anfang der Predigt.

Der Wert dieses Sakraments muss scheinbar neu entdeckt werden.

Aber es gibt nicht nur die Beichte. Es gibt eine vielfältige Formen der Versöhnung mit Gott:

Viele von uns kennen die Bußandacht. Es ging lange Zeit um die Frage ob sie mit der Beichte gleichzusetzen ist und die Lossprechung hier wie in der Beichte erfolgt. Die Lehre der Kirche sagt: „Nein!“ Aber sie unterstreicht und betont den besonderen Wert der Bußandachten, die für die Gewissenerforschung und Bestandsaufnahme des Einzelnen und der Gemeinschaft einen großen Wert haben. Gerade hier geht es auch um den Gemeinschaftscharakter der Kirche.

Die Lehre der Kirche unterstreicht weiterhin die Notwendigkeit, dass der Einzelne seine Sünden bekennt und auch einzeln die Lossprechung erfährt.

Aber auch jede hl. Messe hat sündenvergebende Kraft. Im Eröffnungsteil im Bußritus oder auch noch einmal vor der hl. Kommunion, im Agnus Dei, betonen wir, dass wir auch als Sünder vor Gott stehen. „Lamm Gottes du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser.“ Gott schenkt uns dieses Erbarmen. Und die hl. Messe ist doch das Mahl der Liebe, das Mahl der Versöhnung, das Mahl des Lebens und sie hat sündenvergebende Kraft..

Und hier, wie an vielen Stellen dürfen wir immer wieder den Herrn bitten: „Vater unser... Vergib uns unser Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“

Gott hat die Kraft und die Macht auf vielfältige Weise uns Vergebung zu schenken. Seine Vergebungsbreitschaft ist größer als wir es uns denken können.

Und zunehmend nutzen Menschen auch das Angebot zum Beichtgespräch wo der Einzelne Hilfe für seine Lebens- und Seelenführung erfährt. Es ist ein Orte wo der Einzelne Bestandaufnahme hält und mit dem Priester und Seelsorger seiner Wahl bespricht. Es gehört dazu Offenheit, Vertrauen und auch etwas mehr an Zeit. Aber es kann eine Chance sein, in einer eher einladenden Atmosphäre eines Sprechzimmers oder Beichtzimmers als in der Enge des Beichtstuhl in Ruhe sich auszusprechen. Ich kann Sie an dieser Stelle nur ermutigen solche Möglichkeiten zu nutzen.

Die verschiednen Formen und Orte der Versöhnung sind alles Angebote Gottes zur Vergebung und Befreiung. Gerade vor wichtigen Anlässen, besonderen Festtagen im privaten oder kirchlichen Bereich ist hier eine Möglichkeit inneren Hausputz zu halten, damit das Fest wirklich ein Fest wird. Wir Dominikaner von St. Paulus Worms möchten unsere Angebote in diesem Bereich nicht nur erhalten, sondern denken auch über einen Ausbau nach. Und auch der traditionelle Beichtstuhl kann mehr sein, als ein enger Holzverschlag. Auch er könnt einladender, weiter und behindertengerechter sein, wo Menschen ein würdigen Platz finden. Ich denke, es ist an der Zeit, inhaltlich und praktisch nach Lösungen zu suchen, damit der Beichtstuhl, das Beichtsakrament in seiner ganzen Fülle wieder als Lebenshilfe für alle Menschen erfahren wird.

Abschließend darf ich sagen: Für mich ist das Beichtsakrament kein Auslaufmodell, sondern ist ein Sakrament wo Menschen Heil und Leben geschenkt wird und erfahren, das sie immer wieder neu das Leben haben und es in Fülle haben.

Es ist für mich in meiner Aufgabe als Priester und Ordensmann ist es ein großes Geschenk und eine schöne Aufgabe, im Namen Gottes und der Kirche, vielen Menschen immer wieder Lasten und Sünden abzunehmen und das Wort der Befreiung zuzusagen „Ja, Deine Sünden sind Dir vergeben.!“



P. Josef schreiben: paterjosefop@hotmail.com