Soundtrack des Lebens – Unser Glaubensbekenntnis „Von Menschen und Göttern“ – Ich glaube am 19. Februar 2013 P. Ludger A. Fortmann OP
Soundtrack des Lebens – Unser Glaubensbekenntnis
„Von Menschen und Göttern“ – Ich glaube
Liebe Schwestern und Brüder, da soll noch einer sagen, dass Religion in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle spielt: die Zeitungen sind voll von Kommentaren und Spekulationen rund um den Rücktritt des Papstes und die Wahl eines Nachfolgers. Neben der Würdigung von Papst Benedikt und der Frage nach den notwendigen oder Befürchteten Reformen spielen ganz offensichtlich zwei Themen die Hauptrollen: Welche Kandidaten sind im Rennen, wer hat Chancen und wer nicht – ja und natürlich das recht malerische Zeremoniell und Procedere rund um die Papstwahl. Alles sehr fernsehtauglich, was da unter der Überschrift „Religion“ gezeigt wird.
Es sind Äußerlichkeiten, sicherlich, aber sie stehen für ein Phänomen, das allen Unkenrufen zum Trotz doch bemerkbar ist: Religion ist in unserer so funktional und aufgeklärt wirkenden Zeit ein Thema!
Religion, Spiritualität – sie schlagen sich nieder in Filmen und Fernsehsendungen, in Büchern und den Feuilletons, in Gesprächen und Diskussionen. Religion ist nicht tot wie mancher erwartete hätte, nein, sie ist präsent und lebendig.
Doch wie so oft ist auch hier ein waches Ohr angebracht, Sensibilität für die Kontexte, die mit Religion verbunden werden, und für die Bilder, die in der Rede von der Religion entstehen.
Worte wie ‚Philosophie‘ und ‚Spiritualität‘ – die konnotieren Innerlichkeit und Ruhe, sie zeigen uns friedliche Gedanken, die nach den Grundlinien des Lebens fragen, des eigenen Lebensentwurfes. Spirituell geht es zu auf Fortbildungsseminaren und bei den Körperübungen fernöstlicher Prägung. Ein erfolgreicher Betrieb kann seine eigene Philosophie als Leitbild benennen, kundenorientiert und mitarbeiterfreundlich.
Durchaus hat auch das Transzendente seinen Platz, die Frage nach dem ‚was kommt danach?‘, ‚was übersteigt mein unmittelbares Erleben und Erfassen?‘ Erweiterung des eigenen Bewusstseins, das Übersteigen begrenzender Erfahrungen, Nahtoderlebnisse, Wiedergeburt, Engelglaube in unterschiedlicher Schattierung – all das gehört in das weite Feld des Religiösen. All das kommt aber auch sehr friedlich und sehr privat daher, in westlichen Gesellschaften vielfach ein Element des inszenierten Lifestyle.
Wenn wir von den farbigen und wirkmächtigen Bildern dieser Tage und den sehr privaten religiösen Gefühlen absehen und unsere Gedanken weiterlenken, dann begegnet uns das Thema Religion auch auf ganz andere Weise, nämlich in den Konflikten der Erde, im Terror, in kämpferischem Fanatismus. Religion hat, sobald sie den Bereich des Privaten verlässt, in der Meinung vieler den Kontext der Gewalt, des Fundamentalismus, ja des Terrors bekommen – Bilder und Beispiele fallen uns sofort ein, ich brauche sie hier nicht zu nennen.
Religion hat da kein gutes Image, sondern gilt als Quelle der Ideologie und des Fanatismus, und damit als Ursache für Krieg und Gewalt in der Welt, mindestens auch für Intoleranz und Verbohrtheit hierzulande.
Vor gut zwei Jahren kam der Film „Von Menschen und Göttern“ in unsere Kinos. Ein preisgekröntes französisches Werk, das neben vielem anderen vor allem das Thema „Religion“ aufnimmt. Der Film basierte auf einem tatsächlichen Geschehen in den 90er Jahren. In einem kleinen Dorf in den Algerischen Bergen lebt eine kleine Klostergemeinschaft von Trappistenmönchen. Als christliche Gruppe sind sie doch gut eingebunden in die meist muslimische Dorfgemeinschaft. Das friedliche Leben zerbricht, als eine fanatische muslimische Terrorgruppe beginnt, brutale Mordanschläge vornehmlich auf Ausländer zu verüben. Religion und nationales Bewusstsein gehen eine unheilvolle Verbindung ein – wie so oft, wie in vielen Konfliktherden der Erde.
Für die Mönche stellt sich die Frage:
bleiben wir – oder gehen wir?
Halten wir dem Druck der Bedrohung stand – oder fliehen wir?
Bringen wir uns in Sicherheit und lassen die Bevölkerung des Dorfes allein, die unter dem Terror ebenfalls leidet – oder bleiben wir solidarisch bei den vertrauten Menschen, die nicht nach Frankreich gehen können, sondern bleiben müssen?
Was tun wir?
Man spürt die Angst und die Unsicherheit – in der Gemeinschaft und bei jedem einzelnen. Die Frage wird zu einer zutiefst religiösen Frage (nicht nur zu einer organisatorischen)! Es geht nicht mehr ausschließlich um Bedrohung und Sicherheit, nein, es geht darum: Was gibt mir Kraft, zu bleiben, auszuhalten? Trägt mein Glaube? Trägt mein österlicher Glaube auch in bedrohlicher Situation?
Liebe Gemeinde, der Film thematisiert die Religion – und zeigt, dass sie zur Gewalt führen kann, wenn sie für andere Interessen instrumentalisiert wird – dass sie aber auch eine große Kraft der Versöhnung und der Hoffnung in sich trägt, wenn sie einen Menschen im Innersten durchdringt, anrührt und von Angst befreit.
Religion ist nicht automatisch gut oder schlecht, sondern sie ist an den Menschen gebunden, der sie lebt.
Religion genießt heute einen zwiespältigen Ruf und wird zumindest auch mit Konflikt und Gewalt verbunden. Dieses Vorurteil wird verschärft, wenn man nicht nur von der Religion spricht, sondern vom Bekenntnis der Menschen. Wenn also nicht nur der Glaube an eine transzendente Größe, eine unsere fassbare Wirklichkeit übersteigende Größe gelebt wird, sondern wenn dieser Glaube auch ein klares Profil bekommt, wenn Menschen also sagen: Wir haben eine genauere Vorstellung von dem, wie oder was diese transzendente Größe – also Gott – denn wohl ist. Wie wir davon sprechen können und wie auch nicht.
Wenn es also nicht nur um Religion, sondern um ein religiöses Bekenntnis geht, dann wittert viele erst recht Intoleranz und Unfreiheit, Gewalt und Terror im Kleinen wie im Großen. Denn Bekenntnis erhebt auch immer den Anspruch der Wahrheit.
Das Schlimmste, was man dann gesagt bekommen kann, ist, dass man zu dogmatisch ist. Ein Dogma, das ja die Wahrheitsüberzeugung formulieren will, ist fast schon ein Schimpfwort. Der Verdacht, zu dogmatisch zu sein, ist gleich bedeutend dem Verdacht, menschenverachtend, blind und reformresistent zu denken und zu handeln.
Meistens vergisst man dabei – oder weiß es gar nicht – was denn ein Dogma ist, auch was denn die Dogmen des christlichen Glaubens sind. Daher gilt es zu unterscheiden – aber gerade die Unterscheidung, das differenzierte Darstellen ist nicht die Stärke der Medien und nicht die Stärke unserer Wahrnehmungs- und Gesprächskultur – zwischen wichtig, weniger wichtig und auch nebensächlich, zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Identitätskern und den sich ändernden und den sehr unterschiedlichen Ausdrucksform dieser Identität. Man muss aufpassen, dass nicht Nebensächliches das Zentrale verdeckt und erstickt – da müssen wir als Kirche in den Themen der Verkündigung aufpassen, aber auch in den Gesprächen, in der Wahrnehmung kann man das verlangen!
Dogmen formulieren den Kern unseres Glaubens, das Wesentliche, das Unaufgebbare, sicher auch das Unterscheidende. Sie sind nicht kämpferisch-fundamentalistisch, sondern fundamental, grundlegend. Auf ihnen kann man aufbauen, auf ihnen kann das Christentum, kann die Kirche (um es in einem Bild zu sagen) ihr Gebäude bauen, das dann durchaus immer wieder renoviert, vielleicht hier und da auch einmal eingerissen und anders, neu, moderner aufgebaut werden kann. Das geht, wenn das Fundament stimmt.
Gerade das Fundament, die Kerngeheimnisse unseres Glaubens, sie bewahren vor Intoleranz und Kleingeistigkeit, denn sie sind weit formuliert und schützen davor, dass sich nur die Lauten und Starken durchsetzen oder dass man vor dem Vielerlei und den Nebensächlichkeiten das Wesentliche, das Tragende, aus den Augen verliert. Wenn man weiß, wo man seine Wurzeln hat, was einen trägt, braucht man keine Angst vor der Stürmen und den Wassermassen des Lebens haben. Man muss sich nicht ängstlich verteidigen, nicht andere klein machen, sich nicht verschließen – denn man ist sich seines tragenden Grundes bewusst. Das Wissen um den Kern unseres Glaubens führt nicht zur Intoleranz, sondern bewahrt gerade davor.
Liebe Schwestern und Brüder, werfen wir noch einmal einen Blick auf den Film „Von Menschen und Göttern“.
In der bedrängenden Situation – Mordanschläge sind zu erwarten – keimt in den Mönchen des kleinen Trappistenklosters die Frage auf: Woran mache ich jetzt meine Entscheidung fest? Was trägt mich eigentlich? Was hält mich? Wo kommen denn meine Überzeugungen, mein ganzer Lebensentwurf, alles, was ich bisher für wichtig hielt, zusammen?
In diesem existentiellen Moment ihres Lebens – wo nichts anders mehr da ist, nichts ablenkt und sich dazwischen schiebt – finden die neun Mönche sehr nüchtern, sehr konzentriert hin zu ihrem Glauben, zu ihrem Osterglauben. Ihn entdecken sie als den Grund und die Kraft ihres Bleibens.
Zaghaft, mit Tränen in den Augen, schwankend zwischen Lachen und Weinen, zwischen spürbarer Hoffnung und bitterer Angst, spüren sie ganz offensichtlich den Glauben, der sie trägt. In diesem Moment berühren sie gleichsam die Fundamente ihres Lebens – und genau das bewahrt sie davor, wegzulaufen, sich selbst und die anderen Menschen des Dorfes zu verraten. Es bewahrt sie auch davor, Gewalt mit Gegengewalt zu beantworten oder sich ängstlich zu verbarrikadieren in den Mauern des Klosters.
Sie lehnen militärischen Schutz ab, denn Männer mit Waffen passen nicht zum Ort des Gebetes; sie kümmern sich weiter um die Kranken des Ortes, denn der christliche Glaube führt immer hin zum Nächsten; sie feiern weiter ihr nüchternes Stundengebet – und erinnern sich so beständig inmitten ihrer Sorge und Frage an die Zusage Gottes: Ich bin da, ich bin bei euch, ihr könnt euch an mich wenden, ich bin der treue Wegbegleiter.
Um in Krisenzeiten des Lebens, in Entscheidungszeiten des Lebens, nicht im Strudel der Angst und der Unsicherheit zu versinken und sich nicht zu verkriechen, ist es notwendig, das Wesentliche freizulegen, sich auf das Wesentliche, das Tragende, auf die Fundamente zu konzentriert.
Das, liebe Schwestern und Brüder, wollen wir in dieser Reihe der Fastenpredigten versuchen. Papst Benedikt hat ein Jahr des Glaubens ausgerufen, in dem wir eingeladen sind, uns auf den Kern unseres religiösen Bekenntnisses zu besinnen. Wo wir eingeladen sind, uns und andere wieder als religiöse Menschen zu verstehen, als religiöse Menschen im eigentlichen und weiten Sinne des Wortes: dass unsere Schöpfung und wir Menschen rückgebunden sind, festgemacht sind an eine andere Größe, die unser Fassen übersteigt. Wir können uns – gegen den Eindruck, den manche Nachrichtenmeldung vermittelt – darauf besinnen, dass Religion etwas anderes ist als Gewalt und Terror, etwas anderes als Engherzigkeit und Gesetzesbücher, auch etwas anderes als die farbenprächtigen Bilder einer Papstwahl.
Wir möchten die Fundamente mit Ihnen zusammen freizulegen versuchen, indem wir auf unser Glaubensbekenntnis schauen. Dort sind ja die dogmatischen Kernaussagen unserer christlichen Rückbindung ins Wort gebracht. Wir möchten an Wichtiges erinnern, manches vielleicht erklären, manches korrigieren. Uns dabei zu begleiten und so den eigenen Glauben, das eigene Glaubensbekenntnis zu klären, dazu laden wir ein.
Das eigene Glaubensbekenntnis habe ich gesagt. Das klingt fast so, als ob jeder sein eigenes Bekenntnis formulieren kann. In gewisser Weise geht es auch genau darum: Ich formuliere mein Glaubensbekenntnis.
Am Anfang steht das wichtige Wort „Credo“ – „Ich glaube“. Und so ist auch diese erste Predigt überschrieben: Ich glaube!
Wir sprechen hier über etwas anderes als über einen Verwaltungsakt, über etwas anderes als einen Automatismus oder eine gesellschaftliche Norm. Da steht nicht: Man glaubt! Das ist ja eine beliebte Formulierung: Man macht dies oder jenes – und so ist der einzelne schon nicht mehr ganz dabei. Da ist eine Distanz ausgedrückt. Man macht dieses oder jenes – damit wird ein Vorgang oder ein Tun eher beschrieben, von außen, eher unbeteiligt.
„Ich glaube“ ist Aktion, ist Handlung des einzelnen. Da bin ich dabei. Ich tue etwas. Ich bin aktiv – und das kann und soll mir keiner abnehmen.
Liebe Schwestern und Brüder, dieses kleine Wörtchen ‚ich‘ ist in den letzten Jahrzehnten sehr wichtig geworden. Dass sich die Gesellschaft, die Familie, der Bekanntenkreis wie selbstverständlich zum christlichen Glauben bekennt, dass der einzelne also in einem christlichkirchlichen Umfeld aufwächst und sich so in gewissem Sinne auch hineinfallen lassen kann – das ist heute nicht mehr so. Das Vielerlei der religiösen Bekenntnisse, die Freiheit in religiösen Fragen, gibt dem kleinen Wörtchen „Ich“ ein ganz neues Gewicht. Der einzelne wird aktiv: Er muss sich entscheiden, er muss sich bekennen, oder noch besser: er muss Antwort geben.
Es ist eine Antwort, die ins Wir führt und sich vom Wir – also von der Gemeinschaft der Kirche – her definiert, aber es bleibt eben die Antwort des Einzelnen.
Antwort geben, reagieren – das ist vielleicht eine andere Formulierung für das, was das Glaubensbekenntnis meint. Ich antworte auf das, was zunächst Gott getan hat. Er hat mich angesprochen: In der Schöpfung, in anderen Menschen, in der beispielhaften Geschichte des Volkes Israel. Er hat mich angesprochen in Jesus Christus. Und das war nicht nur damals so, sondern das ist heute so, sein Anruf, Gottes Anruf an mich in Jesus Christus, ist Gegenwart, weil sein Geist in der Kirche, im Weltgeschehen lebendig ist.
Er spricht mich an und wirbt in diesem Wort, das er an mich richtet, um mein Vertrauen. „Vertraue mir, dass ich derjenige bin, der Dich zum Leben führen will, zum Leben, welches nicht durch Schuld, Leid oder Tod begrenzt ist! Du musst keine Angst haben, dich mir anzuvertrauen!“
Die Antwort kann mir keiner abnehmen – denn es muss eben meine Antwort sein. Es muss eine im wahrsten Sinne des Wortes persönliche Antwort sein: Eine Antwort, die meine Person gibt, mein Ganzes: dazu gehören meine Lebenserfahrungen, meine Grenzen, meine Talente. Dazu gehört meine Schuld genauso wie die Liebe die ich anderen erwiesen habe. Meine Hoffnungen und Fragen genauso wie die Erfahrungen und das Vertrauen, das ich erlernt habe. Ich gebe die Antwort auf die Zuwendung Gottes.
Meine Antwort ist gefordert – denn ich bin bei meinem Namen gerufen, ich bin einmalig und unverwechselbar. Deshalb werde ich bei der Taufe mit dem Namen angesprochen, deshalb heißt es auch in einem Kloster „Ich mache Profess“, deshalb sprechen sich die Brautleute beim Trauversprechen mit ihrem Namen an. Der einzelne ist gefragt – und er geht nie, wie in den Diktaturen dieser Welt, in der Masse auf, er wird nie gesichtslos, namenlos.
Und so ringen auch die Trappisten-Mönche um ihre je eigene Antwort. Auch da gibt es nicht die Kollektiv-Entscheidung, sondern jeder einzelne von den neun Männern muss seine Antwort geben, die eben auch Ausdruck seines Vertrauens ist.
Da redet keine leicht daher. Es ist eine zutiefst durchlebte, durchbetete und durchlittene Antwort. Kann ich mich wirklich diesem Gott des Lebens anvertrauen? Bleibe ich an diesem Ort, in diesem Kloster, bedroht und gefährdet, unsicher und klein – und setze so dem Unrecht und der Gewalt meinen Glauben an die Lebensmacht Gottes entgegen? Kann ich das? Die Antwort „Ich glaube“ – „Ich vertraue“ wird konkret und bekommt ein Gesicht, bekommt in den Mönchen neun konkrete Lebensgeschichten.
Wenn wir das Wort „Glauben“ nennen, dann kommt sofort der Einwand – bei anderen, vielleicht auch bei uns selber: Glauben – das ist ja nicht Wissen. Und das klingt dann immer so nach Defizit, nach: reicht nicht! Wir wollen verlässliche Fakten.
Rationale Nachprüfbarkeit, wissenschaftliche Versuchsanordnungen und Beweise sind das, was zählt und Ansehen genießt – so gilt es in der Öffentlichkeit und so denken wir wohl auch manches mal. „Glauben“ hat dann gleich den Klang von naiv und unwissend.
Liebe Schwestern und Brüder, nichts gegen Fakten, nichts gegen vernünftiges, schlüssiges Denken – gerade unsere christliche Tradition hat das immer wieder betont: der Glaube darf den Verstand und die Vernunft nicht benebeln oder ausschalten, darf der Vernunft nicht widersprechen.
Wir verstehen es oft so, als wenn dort, wo es für das Wissen nicht reicht, nur der kleine Glaube da ist. Das Wissen ist dann das größere Ziel. Warum verstehen wir es nicht genau umgekehrt: Wir wissen Vieles, und auf dieser Basis können wir uns in den Glauben hinein ausstrecken. Der Glaube ist das Größere, er weitet den Bereich des Wissens und führt darüber hinaus.
Wenn wir von der Liebe sprechen, dann ist das ja ähnlich. Liebe erschöpft sich ja auch nicht im Wissen, in den Fakten – sondern sie ist größer, weiter, umfassender als die Fakten. Liebe ist die Haltung, die sich aus Fakten ergibt, die vielleicht von Fakten hier und da gestützt wird – aber sie ist letztlich doch eine viel umfassendere Haltung des ganzen Menschen.
Die Liebe erschöpft sich nicht in den Fakten, den Beweisen, sie ist nicht bis ins letzte an Fakten überprüfbar, weil Liebe immer den Respekt vor dem Geheimnis und der Freiheit des anderen voraussetzt und aushält.
Diesen Schritt der Liebe, diesen Schritt des Vertrauens, kann ich nur persönlich tun. Er wird manchmal stürmisch sein, manchmal zaghaft – das ist den Menschen gegenüber so, und das ist Gott gegenüber so. Auch Gott bringe ich manchmal sehr klar und stürmisch mein Vertrauen entgegen, manchmal sehr leise und zögernd und ängstlich, fragend vielleicht, oft auch recht selbstverständlich als gewachsenes Fundament meines Lebens.
Aber, und das liegt in der Natur der Sache, es bleibt immer ein Rest Geheimnis, es bleibt die Unverfügbarkeit Gottes, wenn ich vom Glauben spreche.
Genau wie die Liebe, so wird auch der Glaube an Gott, das Vertrauen in Gottes Nähe und Lebenswillen, manchmal auf eine harte Probe gestellt. Die Bibel kennt das Bild der Läuterung, der Reinigung von Gold und Silber im Schmelzofen. Die geistliche Tradition kennt das Bild der „Dunklen Nacht“, der Erfahrung gerade des gläubigen Menschen, dass Gott oft fern zu sein scheint, verstummt und abgewandt, dass unsere Gebete ins Leere gesprochen sind und wie an einer Mauer abprallen. Die große Mutter Teresa schreibt mit 27 Jahren in einem Brief: „Glauben sie nicht, dass mein spirituelles Leben auf Rosen gebettet ist – diese Blume entdecke ich so gut wie gar nicht auf meinem Weg. Ganz im Gegenteil, ich habe öfters als meine Gefährtin die ‚Dunkelheit‘. Und wenn diese Nacht besonders tief ist – und es scheint als ende ich in der Hölle‘ – dann bringe ich mich einfach Jesus dar.“
Zeiten der Gottesferne, der tiefen Verunsicherung (erfahren in Krankheit, Alleinsein, Tod eines Menschen) – sie sind dem Glauben eigen, weil sie dem Stifter eigen waren. Jesus sagte zu seinen Jüngern: Betet, dass ich nicht in Versuchung gerate“ (dass ich also das Vertrauen in den Willen Gottes verliere!): Er betete: „Vater, nimm diesen Kelch von mir!“ „Und er betete in seiner Angst noch inständiger, und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte!“ Und schließlich der Schrei Jesu am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen!“
Dunkle Nacht des Glaubens!
Und gerade dieser Moment, so sagt es die geistliche Tradition weiter als Erfahrung vieler Menschen, dieser Moment führt hinein ins Vertrauen: „Vater in deine Hände le-ge ich meinen Geist!“ Da steht nichts mehr zwischen mir und Gott. Er allein genügt, er allein bleibt – aber er allein bleibt auch! Der unbedingte Lebenswillen Gottes, die unbedingte Treue Gottes bleibt bestehen auch über den Tod hinaus – so unser Glaube!
Der Glaube – geprüft und vom Leben gedeckt – schenkt uns eine in Gott gegründete Freiheit. Diese Freiheit führt nicht weg vom Leben, weg von den Menschen, weg von den Problemen, sondern öffnet und macht weit. Er macht tolerant nicht in einem oberflächlichen Sinne, der eigentlich Desinteresse meint, sondern tolerant im Sinne von echtem Mittragen, von Wertschätzung und Miteinander.
Die Terroristen im Film berufen sich genau wie die Trappistenmönche auf ihre Religion. Doch ihr Verständnis – getragen von Angst – führt in die Enge. Sie können sich nur mit Waffen und im Dunkeln bewegen, ständig verfolgt, alle machen aus Angst einen Bogen. Der mühsam erarbeitete Glaube der Mönche dagegen führt in die Weite, hält die Pforten des Lebens, die Pforten des Klosters, auch weiterhin offen für andere.
Und so, liebe Schwestern und Brüder, wünsche ich uns, dass das Nachdenken über unsere tragenden Fundamente, über unser Glaubensbekenntnis, uns weit macht, uns atmen lässt – im Vertrauen auf die bleibende Sorge und Liebe, auf den bleibenden Lebenswillen und die Lebensmacht Gottes. AMEN