Zurück

P. Norbert Hinckers OP - Fastenpredigt 15.3.2005 St. Paulus 20.00 Uhr

Gott im Schlager - Spuren des Glaubens in Schlagertexten

„From a distance - aus der Ferne“ (Bette Midler)
Gottes Ferne - Gottes Nähe. Gedanken zu Bildern 

 

BETTE MIDLER – FROM A DISTANCE

From a distance the world looks blue and green,
and the snow-capped mountains white.
From a distance the ocean meets the stream,
and the eagle takes to flight.

From a distance, there is harmony,
and it echoes through the land.
It’s the voice of hope, it’s the voice of peace,
it’s the voice of every man. 

From a distance we all have enough,
and no one is in need.
And there are no guns, no bombs, and no disease,
no hungry mouths to feed.

From a distance we are instruments
marching in a common band.
Playing songs of hope, playing songs of peace.
They’re the songs of every man.

God is watching us. God is watching us.
God is watching us from a distance.
 

From a distance you look like my friend,
even though we are at war.
From a distance I just cannot comprehend
what all this fighting is for.

From a distance there is harmony,
and it echoes through the land.
And it’s the hope of hopes, it’s the love of loves,
it’s the heart of every man.

It’s the hope of hopes, it’s the love of loves.
This is the song of every man.
And God is watching us, God is watching us,
God is watching us from a distance.

 

Oh, God is watching us, God is watching.
God is watching us from a distance.

Aus der Entfernung sieht die Welt blau aus und grün
und die schneebedeckten Berge weiß.
Aus der Entfernung trifft der Ozean den Strom
und der Adler setzt an zum Flug.

Aus der Entfernung, da besteht Harmonie
und es hallt durch das Land:
Es ist die Stimme der Hoffnung, es ist die Stimme des Friedens,
es ist die Stimme eines jeden Menschen.

Aus der Entfernung gesehen haben wir alle genug
und keiner ist in Nöten.
Und da gibt es keine Waffen, keine Bomben und keine Krankheit,
keine hungrigen Münder zu füttern.

Aus der Entfernung sind wir Musikinstrumente,
die in einer gemeinsamen Band marschieren,
Lieder der Hoffnung spielend, Lieder des Friedens spielend.
Es sind die Lieder eines jeden Menschen.

Gott schaut uns zu. Gott schaut uns zu.
Gott schaut uns zu, aus der Entfernung.

Aus der Entfernung schaust du aus wie mein Freund,
obwohl wir im Krieg liegen.
Aus der Entfernung kann ich einfach nicht verstehen,
wofür all dies Gekämpfe ist.

Aus der Entfernung, da besteht Harmonie
und es hallt durch das Land.
Und es ist die Hoffnung aller Hoffnungen, es ist die Liebe aller Liebe,
es ist das Herz eines jeden Menschen.

Es ist die Hoffnung aller Hoffnungen, es ist die Liebe aller Liebe.
Dies ist das Lied eines jeden Menschen.
Und Gott schaut uns zu, Gott schaut uns zu,
Gott schaut uns zu, aus der Entfernung.

Oh, Gott schaut uns zu, Gott schaut zu.
Gott schaut uns zu, aus der Entfernung.

________________________

Gedanken zum Text

Zwei Aussagen tauchen im Text immer wieder auf: ‚Aus der Entfernung’ und ‚Gott schaut zu’.

Aus der Entfernung betrachtet hat die Erde einen ästhetischen Reiz: Das Blau der Meere gegenüber dem Grün der Landflächen. Der Fluss verliert sich im Meer, als habe er sein Ziel erreicht. Über allem segelt der Adler als Symbol einer solchen Perspektive.

Das Land der Menschen vermittelt aus der Distanz gesehen den Eindruck von Harmonie. Die Leute leben in Frieden, vertrauen auf die Zukunft und sind zufrieden.

Bald deuten Worte wie Waffen, Bomben, Krankheit, hungrige Münder an, da ist die Gefahr, dass die angedeutete Harmonie gestört wird.


Nun nimmt der Song den Gedanke der Harmonie in dem Bild einer Musikgruppe wieder auf. Ihr gekonntes Zusammenspiel, ihr Sound, verkünden und halten wach: ‚Gedanken des Friedens, Gedanken der Hoffnung’.

Ein Gedankensprung führt zur zweiten wichtigen Aussage im Text:

Die dreimalige Formulierung ‚Gott schaut zu, aus der Entfernung’ kommt überraschend. Denn diese Aussage weitet den Blick für eine neue Dimension, die religiöse. Allerdings kann aus dem Gedanken ‚Gott schaut aus der Ferne zu’ nicht entnommen werden, wie Gott das angedeutete Geschehen auf der Welt wertet. Die Äußerung ‚Gott schaut zu aus der Ferne’ bleibt offen und neutral.
Nicht viel anders sind die beiden letzten Zeilen. Sie wiederholen wie ein Refrain das bisher von Gott Gesagte. Es bleibt dem Hörer überlassen, sich vorzustellen, wie Gott das Treiben auf der Erde wohl sehen mag. Es könnten sich sogar die Fragen stellen: Warum greift Gott nicht ein? Lassen ihn die Konflikte, die nur angedeutet werden, etwa kalt?

Denn in der zweiten Hälfte von Bette Midlers Lied werden die Spannungen und Konflikte, die menschliches Zusammenleben mit sich bringen, angesprochen, gleichzeitig auch Unverständnis ausgedrückt. Denn aus der Distanz sind ‚Krieg’ und ‚Gekämpfe nicht mehr einsehbar. Als Alternative dazu wird von Harmonie und Hoffnung gesprochen. Die Liebe vermag, dies zu ermöglichen, die Liebe, deren Ort das Herz des Menschen ist. Dieser Gedanken wird wie zur Bekräftigung wiederholt und weiter geführt: ‚Dies ist das Lied eines jeden Menschen.’ Dem wird angefügt: ‚Gott schaut uns zu, Gott schaut uns zu.’ Vielleicht könnte die Verbindung von Liebe und Gott vermuten lassen, wo die Präferenz Gottes liegt.
Das Lied schließt mit dem Kehrvers und einer kleine Varianten:

‚Oh, Gott schaut uns zu, Gott schaut zu, Gott schaut uns zu, aus der Entfernung’ Ob der Hörer sich dieser Wahrheit nun bewusst geworden ist?

Bilder interpretieren Bette Midler: FROM A DISTANCE

Vorbemerkung:

Die beiden folgenden Bilder versuchen, die Grundgedanken des Chanson’ von Bette Midler darzustellen und zu vertiefen. Es muss dabei auch der Refrain ‚Gott schaut zu, aus er Entfernung.’ berücksichtigt werden. So soll der Frage nachgegangen werden: Was könnte Gott denken, wenn er aus der Ferne – oder etwa auch aus der Nähe? – die auf den Bildern dargestellten Ereignisse wahrnimmt?


Ernst Brunner, Ringtanz in Guarda im Unterengadin, Schweiz 1939
Dieter Bachmann/Daniel Schwarz, Der geduldige Planet ( ISBN 3-908515-00-90)

Der Betrachter des Bildes schaut auf ein Geschehen in einer Bergwelt. Vor ihm liegt eine zum linken Bildrand hin leicht abfallende Bergwiese. Er selbst steht ein wenig erhöht oberhalb dieser Fläche. Sie liegt an der Grenze eines Abhangs zu einem Tal. Auf der anderen Seite des Tales zieht sich schräg von rechts nach links ein mit Bäumen bewachsener steiler Berghang. Er liegt im Schatten und bildet so einen Kontrast zu der

Sonnen beschienenen Bergwiese im Vordergrund und im Mittelteil des Bildes. Der leicht erhöhte Teil der Wiese im Vordergrund ermöglicht einen guten Überblick zu dem Geschehen im leicht nach links abfallenden flachen Mittelteil.

Darum haben auch hier vorne vor dem Fotografen Zuschauer wie im Theater Platz genommen. In der obersten Reihe sitzen eng beieinander Mädchen unterschiedlichen Alters. In den untersten Reihen haben Familien mit Kindern und darüber hinaus die wohl älteren Männer Platz genommen. Vor ihnen stehen sozusagen mit der Nase dabei, dem Geschehen am nächsten, einige Knaben.

In der rechten Bildhälfte vor den Zuschauerinnen und Zuschauern fiedelt ein Mann auf einer Stehgeige.

Das Geschehen auf der Wiese - wie auf einer Naturbühne - findet statt, indem junge Männer und Frauen sich in einem großen Kreis zusammengefunden haben und zur Musik tanzen. Zu den Zuschauern hin hat der Kreis eine Öffnung, und die Frauen am rechten Ende des Reigens sind bestrebt, den Kreis wieder zu schließen. Der Betrachter des Bildes nimmt auf seine Weise an einem Fest teil.

‚Aus der Entfernung, da besteht Harmonie und hallt durch das Land.’ So hieß es in dem Chanson von Bette Midler.

Auf diesem Bild haben sich Menschen von Zwängen und Verpflichtungen des Alltags gelöst, sind auf eine Almwiese hinauf gestiegen, um ein Fest zu feiern. Dieses Fest ist das Motiv und der Grund des Feierns. Es führt Menschen zusammen und schafft Gemeinsamkeit in der Bewegung des Tanzes oder in dem mehr oder weniger intensiven inneren Mitgehen als Zuschauer und Zuschauerinnen.

Differenzen, die sich aus dem Zusammenleben im Dorf ergeben, Meinungsunterschiede, die in unterschiedlichen Interessen begründet liegen, Rivalitäten und Ehrgeiz oder auch wirtschaftliche Konkurrenz, all dies ist zurückgestellt und im diesem Augenblick nicht mehr wichtig. Wichtig ist das Fest. Wichtig ist der Tanz in der Harmonie zwischen Musik und körperlicher Bewegung. Wichtig ist das Verlangen, einander an der Hand zu nehmen, und so Gemeinschaft in einem großen Kreis zu bilden. Der Kreis wird so zum als Symbol der Einheit und der Gleichwertigkeit eines Jeden, der sich einfügt.

‚Gott schaut zu, Gott schaut zu, Gott schaut zu, aus der Entfernung.’ sagt Bette Midler. Vermutlich wird Gott ähnlich den Zuschauern voller Anteilnahme, Wohlwollen und Sympathie zuschauen. Ich denke, von hier lässt sich leicht eine Verbindung zu der Schöpfungsgeschichte in der Bibel herstellen. Es heißt da ja am Ende des Ersten und weiterer Schöpfungstage: „Und Gott sah, dass es gut war.“ ( Gen 1,4.10.12.18.21.25 )

Nachdem auch der Mensch geschaffen und ihm die Verantwortung für sein Leben und die Verantwortung zur Gestaltung der Welt übertragen worden ist, erzählt die Bibel „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und fürwahr, es war sehr gut.“ ( Gen 1,31 )

Wenn der Mensch sich vom Alltag loslösen kann – Wie Gott selbst am siebten Tag nach der Schöpfung ruhte. – , wenn er sich in der Gemeinschaft einfindet zum Feiern, dann bewegt er sich in Dimensionen, die sich Gott für ihn ausgedacht hat: Räume der Umgehens miteinander in Freiheit und Freude, die Fähigkeit, Meinungsunterschiede und Konflikte einmal bei Seite zu lassen und darauf vertrauen, dass es zu einer guten Lösung kommen kann, wo jeder der Beteiligten seinen Teil dazu beiträgt, dass eine gerechte Lösung gefunden werden kann.

Trotzdem geschieht es leider, dass manchmal wenige Menschen die Macht haben, ihre fragwürdigen machtpolitischen Vorstellungen mit Gewalt durchzusetzen.

‚Aus der Ferne siehst du aus wie mein Freund, obwohl wir im Krieg liegen.’ hörten wir im Text von Bette Middler.

Damit erinnert sie daran. Es gibt auch Streit unter Menschen und das Äußerste des Streits ist der Wunsch, den anderen zu vernichten. Dann ist Krieg.


Tomas Kern, Bosnische Soldaten auf dem Weg zur Front, Ostbosnien, Oktober 1992


Vermutlich hat der Fotograf dieses Foto aus einem Straßengraben heraus geschossen. Daher ist der Vordergrund ein wenig nach rechts unten verzerrt. Die ganze untere Bildhälfte beherrschen die leeren Patronenhülsen unterschiedlicher Kaliber. Es sind wohl über hundert Stück. Jede Patronenhülse steht für einen Schuss, darauf angelegt, den Tod zu bringen oder wenigstens kampfunfähig zu machen.

In der oberen Bildhälfte – ein wenig aus der Bildachse nach links verschoben – sieht man ein zerstörtes Haus. Vor diesen Ruinen steht ( rechts, ziemlich klein ) ein Soldat. Zwei weitere gehen über die Straße auf ein Ziel zu, das dem Betrachter des Bildes verborgen bleibt. Ihre langen Schatten fallen auf die Straße und verlaufen bis zum unteren Bildrand und rechts sogar darüber hinaus.
Das Bild zeigt die schrecklichen Spuren des Bürgerkrieges und drei Akteure. Es sagt nichts darüber aus, ob die Soldaten Angreifer oder Verteidiger sind.

Bei der Betrachtung des Bildes erinnere ich mich an die Schilderung einer Frau, die für uns Unfassbares berichtete:

‚Über lange Jahre haben wir im selben Dorf gewohnt, Christen und Muslime. Wir haben die gleiche Schule besucht und nannten uns beim Vornamen. Eines Tages waren die jungen Männer verschwunden. Sie kamen zurück als Soldaten mit vielen
anderen Soldaten. Sie zerstörten unsere Häuser, töteten unsere alten Männer. Wir Frauen waren für sie Freiwild.’


Bette Midler benutzt auch in Ihrem Chanson die Worte ‚Freund’ und ‚Krieg’ und ‚Waffen’. Sie wiederholt als Refrain: ‚Gott schaut zu. Gott schaut zu. Gott schaut zu, aus der Entfernung.’ Nun klingt diese Äußerung im Zusammenhang mit diesem Bild bitter und enttäuschend. Auf das Gottesbild fällt ein hässlicher Schatten. Warum greift Gott hier nicht ein, um Schreckliches zu verhüten, um Unschuldige zu retten? Warum bleibt er un-tätig? Warum schaut er zu aus der Entfernung? Ist er so machtlos?

Unsere Wünsche und Fragen finden keine Antwort. Gott scheint sich in geheimnisvolles Schweigen zurück gezogen zu haben, in die Ferne. Könnte es sein, dass er uns eine Antwort gegeben hat, auf eine Weise, die wir nicht erwarten, die wir nicht vermuten, die wir übersehen, weil wir nur e i n e n, unseren konkreten Weg der Hilfe einfordern?

Eine mögliche Antwort ist sein Sohn, sein menschgewordenes Wort der Liebe. Er ist Gottes Bekenntnis zum Menschen und zu seiner Schöpfung. In ihm wiederholt sich das Wort der Schöpfung: Und Gott sah, es war alles gut.

Aber was ist damit gemeint? In Jesu hat Gott die Ferne verlassen und ist uns so nahe gekommen, wie es anders kaum denkbar ist. Er ist Mensch geworden und hatte die Biografie eines Menschen. Aber sein Lebensweg ist keine Erfolgsstory. Jesu Weg enthält, weil er aus Respekt um die Freiheit des Menschen um freiwillige Zustimmung wirbt, auch Misslingen und Ablehnung, Momente, der Ohnmacht, des Verrats.

Aber es war ihm todernst mit dem, was er lebte und tat. So setzte er sein Leben mit der letzten Konsequenz ein bis zu der äußersten Erniedrigung und dem qualvollen Tod am Kreuz. So teilte er das Schicksal aller, die hilflos ein schweres Los zu ertragen haben und sich im Leid allein gelassen erleben. Aber diese Weise kommt er ihnen nahe und fühlt mit ihnen, weil auch er Gleiches am eigenen Leibe erfahren hat. Er weiß um die Verlassenheit der Verloren, die zu Opfern rücksichtsloser Mächtiger werden.

Warum gerade dieser Weg? Die Antwort könnte sein. Er liebt die Menschen und hofft, dass sie ihn und seine Botschaft nun ernst nehmen. Denn er schätzte sie höher ein als sein Leben. Darum hat Gott ihn heimgeholt in seine Herrlichkeit.

Schauen wir noch einmal auf die letzten Zeilen des Schlagers von Bette Midler!

‚Oh, Gott schaut uns zu, Gott schaut uns zu. Gott schaut uns zu, aus der Entfernung.’ So verstanden schließen sie nie die Nähe und das Engagement Gottes aus.